[ Fehntjer Kurier ]

Geschichten aus dem Overledingerland

Liebevoll gesammelt und aufs getreulichste nacherzählt von Michael Till Heinze


Fehntjer Kurier vom 23.02.1989

De nich will dieken, de mutt wieken
Sielacht-Jubiläum: „Gebannte Gefahren“

[ Zurück zur Übersicht aller Artikel des Fehntjer Kuriers 1989 ]


[ Zum Seitenanfang ]

De nich will dieken, de mutt wieken
Sielacht-Jubiläum: "Gebannte Gefahren"

Der Beginn des Deichbaus an der Küste wird allgemein um das Jahr 1000 n. Chr. festgelegt. Die ersten Deiche waren noch sehr niedrig, und so kam es, daß verschiedene Sturmfluten tief ins Land eindrangen. Der Dollart, die Leybucht und der Jadebusen entstanden. Früher lernten die Kinder im Heimatkundeunterricht die Daten der schlimmsten Sturmfluten auswendig: Die Flut vom 26. Dezember 838 n. Chr. ließ die Leybucht entstehen. Die Flut vom 13. Januar 1277 ließ den Dollart entstehen, wobei die Marcellusflut von 1362 (die große Manntränke") weitere Verluste brachte. 1373 bei der Dionysiusflut brach die Leybucht bis Marienhafe und Norden ein. Bei der Cosmas- und Damianflut von 1509 brach der Dollart tief ins Land ein. Die Julianenflut vom 17. Februar 1164 ließ die Jade entstehen, und bei der Antoniflut von 1511 erhielt der Jadebusen seine größte Ausdehnung.

So sah es früher fast überall aus: Der Hof Hellmers in Ubbehausen war völlig von Wasser umgeben. Aufnahme vom 30.3.1951 Zur Verfügung gestellt von Hilda Schmidt, Osterhörn
[Klicken Sie auf das Bild für eine vergrößerte Darstellung]

So sah es früher fast überall aus: Der Hof Hellmers in Ubbehausen war völlig von Wasser umgeben. Aufnahme vom 30.3.1951 Zur Verfügung gestellt von Hilda Schmidt, Osterhörn

Seit alters her kam zuerst "der liebe Gott". Aber gleich nach ihm war der Oberdeich- und Sielrichter die wichtigste irdische Person, noch vor dem Kaiser, König oder Fürsten. Das strenge Deichrecht der friesischen Deichachten ging so weit, daß derjenige, der sein Deichpfand nicht in Ordnung halten konnte, sein Land aufgeben mußte. Er grub drei Grassoden aus und steckte seinen Spaten in den Deich. Wer ihn herauszog, übernahm den Landbesitz mit den damit verbundenen Deichverpflichtungen. Die älteren Leser kennen sicherlich noch die Novelle von Theodor Storm "Der Schimmelreiter".
Seit 1954 sicher

Nach der berüchtigten Weihnachtsflut anno 1717 dauerte es fast zehn Jahre, bis die Deiche wieder hergerichtet waren. Über die Bezahlung konnten sich der Fürst und die Stände von Ostfriesland lange nicht einigen. So war es nicht verwunderlich, daß Preußen 1744 die Selbstverwaltung der Deichachten auflöste.

Helmut Schmidt rettet mit Gummistiefeln und einer verzinkten Balje die Weißwäsche. Sielacht-Jubiläum: "Gebannte Gefahren"
[Klicken Sie auf das Bild für eine vergrößerte Darstellung]

Helmut Schmidt rettet mit Gummistiefeln und einer verzinkten Balje die Weißwäsche. Sielacht-Jubiläum: "Gebannte Gefahren"

Ostfriesland fiel 1815 an das Königreich Hannover. Die schweren Schäden der Sturmflut vom 3. und 4. Februar 1825 wurden durch die königliche Provinzialregierung in Aurich (Landdrostei) geregelt. Die alten Deiche wurden verstärkt und erhöht. Plan und Kalkulation stammten von dem Ingenieur Kettler. Ein königliches Dekret ordnete die Deichbaumaßnahmen an.
Wir überspringen jetzt die neue hannoversche Deichordnung von 1853 und auch die ergänzenden preußischen Statuten von 1866. 100 Jahre später, genau am 16. und 17. Februar 1962, kam es erneut zu einer schweren Sturmflut. Diesmal wurden die Deiche um einen und manchmal sogar um 1,50 Meter erhöht.

Anhaltende Westwinde hatten 1962 das Wasser in der Deutschen Bucht aufgestaut. Hamburg stand bis zu vier Fünfteln unter Wasser. Der Normalwasserstand von 6,63 beim Leda-Sperrwerk wurde um 1,80 Meter überschritten. Die Folge war, daß das Wasser der Leda und all ihrer vielen Nebenflüsse und Kanäle nicht mehr abfließen konnte. Die gewaltigen Regenfälle ließen die Bächlein aus dem Hümmling zu reißenden Gewässern werden. Das Burlager und Langholter Tief konnten die rie-sigen Wassermengen nicht mehr fassen. Die "Rote Riede" trat über die Ufer.

Im hochrädrigen Karren wird der Besucher Hermann Focken aus Holtermoor zum Deich der Dosewieke gebracht. Zur Verfügung gestellt von Gisela Schmidt, Hahnentange
[Klicken Sie auf das Bild für eine vergrößerte Darstellung]

Im hochrädrigen Karren wird der Besucher Hermann Focken aus Holtermoor zum Deich der Dosewieke gebracht. Zur Verfügung gestellt von Gisela Schmidt, Hahnentange

"Seit Montag suchen sich die Wassermassen bei den Häusern Plümer und Thien einen Ausweg", hieß es damals in der Zeitung. "Sie strömen über die Fahrbahn hinweg in die tiefer gelegenen Ländereien. Der alte Damm bei Heselmeyer und der Dosewieke hielt nicht stand." Der heutige Osterweg stand damals völlig unter Wasser. Lkw fuhren pausenlos Sand heran, den helfende Hände zu einem provisori-schen Deich häuften. Die Feuerwehr brachte Möbelstücke in Sicherheit und be-schaffte ein Boot, damit das Vieh gefüttert werden konnte.

Am 1. Januar 1964 wurde der "Unterhaltungsverband Altes Amt Stickhausen" nach dem neuen niedersächsischen Wassergesetz gegründet. Am 22. Februar findet die Jubiläumsfeier im Hotel Meyerhoff zu HoIterfehn statt. 26 eigenständige Sielachten sowie Wasser- und Bodenverbände gehören dazu. Die alten Schöpfwerke von 1927 und 1934 wurden mittlerweile alle erneuert und von Dampf- auf Diesel- oder elektrischen Antrieb umgestellt. Erst nach der Gründung des Leda-Jümme-Verbandes und dem Bau des Leda-Sperrwerkes im Jahr 1954 blieb das Land zwischen Leda und Jümme von Sturmfluten verschont.

Anlegestelle beim Haus Appeldorn in der Dosewieke. Schwiegersohn Helmut rudert den Kahn zu Meinhardine Appeldorn.
[Klicken Sie auf das Bild für eine vergrößerte Darstellung]

Anlegestelle beim Haus Appeldorn in der Dosewieke. Schwiegersohn Helmut rudert den Kahn zu Meinhardine Appeldorn.

Der "blanke Hans" hatte seinen Schrecken verloren. Wenn allerdings die Tore we-gen Springflutgefahr völlig geschlossen waren und es tagelang regnete, kam es zu dem oben geschilderten Wassernotstand am Langholter Tief. "Lei Eibo hett'n Liekdorn up de Foot; wenn de hum steckt, gifft't Watersnood." Dieses Binnenhochwasser verlor erst seinen Schrecken, als die Sielacht breitere Vorfluter und leistungsstärkere Schöpfwerke bauen ließ.

Der Schuppen stand im Dezember 1960 völlig unter Wasser.
[Klicken Sie auf das Bild für eine vergrößerte Darstellung]

Der Schuppen stand im Dezember 1960 völlig unter Wasser.

 

[ Zum Seitenanfang ] [ Zurück zur Übersicht aller Artikel des Fehntjer Kuriers 1989 ]


[ Home ]
Hilfen ] [ Publikationen ] [ Aktuelles ] [ Overledingerland ] [ Zeitungsartikel ] [ Links ][ Startseite ]