[ Fehntjer Kurier ]

Geschichten aus dem Overledingerland

Liebevoll gesammelt und aufs getreulichste nacherzählt von Michael Till Heinze


Fehntjer Kurier vom 30.03.1989

Das Osterfest auf dem Kanintjebarg
Mit "Kortenkörvkes" gingen sie Eier suchen

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Das Osterfest auf dem Kanintjebarg
Mit "Kortenkörvkes" gingen sie Eier suchen

Als wir Anfang des Jahres ausführlich über die Weimarer Republik, das Ermächtigungsgesetz sowie über das Verbot von Reichsbanner und Stahlhelm berichteten, waren wir der Zeit um ein paar Wochen voraus. Denn auf die Geschichte von Karl Lücht, die der Fehntjer Kurier am 26. Januar erzählte, folgte alsbald die Berlinwahl mit einem überraschenden Ergebnis, das durch die Hessenwahl bestätigt wurde. Jetzt steht eine neue Partei im Mittelpunkt der Gespräche, die Republikaner.

Da werden Vergleiche gezogen und Begriffe genannt, obgleich niemand von den Jüngeren die damalige Zeit miterlebt hat. Hier ist der Historiker gefragt, der oft nur schlecht verständliche Bücher schreibt. Der Heimatgeschichtler hat es etwas einfacher: Ihm steht Bildmaterial zur Verfügung, über das Zeitzeugen noch genaue Auskünfte geben können.


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Das Osterfeuer brennt! Rechts Rektor Bütefisch und Frau Woerpel, links Fräulein Nellner. Im Hintergrund das Häuschen der Schwestern Anni und Eti Bartels. Hier hatten sich die "Osterhasen" umgezogen. Die Masken waren seit einigen Jahren in der Schule Untenende vorhanden.

Im Jahr 1933 hatte es die NSDAP geschafft, sie war mächtigste Partei im Deutschen Reich. Ein ausgeklügeltes System mit damals modernster Propagandatechnik verkündigte das "Dritte Reich", ein Groß-Deutschland. Der kleine Mann erhielt Arbeit, die Frau ein Mutterkreuz, und die Kinder lernten in der Schule, wie gut die deutsche Rasse sei. Erst gab es den Freien Arbeitsdienst (FAD), dann den Reichsarbeitsdienst (RAD), für die jungen Frauen ein Pflichtjahr, für die Buben die Hitlerjugend (HJ) und für die Mädchen den Bund Deutscher Mädchen (BDM).

So hatte alles scheinbar seine Ordnung. Die jungen Leute waren froh, der oft harten und langweiligen Arbeit entrinnen zu können, wenn sie zum ,,Dienst" mußten. Da durften sie die schicke Uniform anziehen, und gleich war man ein anderer Mensch.


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Auf geht's zum Ostereiersuchen. Eti Bartels und Lümkea Meyer haben einen Osterhasen untergehakt. Die Kinder halten "Kortenkövkes" in der Hand. Diese Körbchen wurden aus alten Postkarten mit einfachem Lochstich zusammengebastelt.

Auch die christlichen Feste wurden anfangs noch gefeiert. Wenn die Fahne auf dem Osterfeuer nicht wäre, könnte es ein ,,Paaskefüür" wie eh und je gewesen sein. Aber es war das Jahr 1933. Und so ganz allmählich schlichen sich Gedanken und Argumente in den Wortschatz der Kinder, die die Eltern so wohl nicht hätten hören wollen, wenn es da nicht schon einen gutfunktionierenden Parteiapparat gegeben hätte, der nun über allem wachte.

So wurde auch das Osterfest von der gut geölten Propagandamaschinerie des NS-Regimes nicht verschont.

Das Wort ,,Paasken" für Ostern ist sicherlich eine Verballhornung des jüdischen Passahfestes (hebräisch ,,pesach"), welches im französischen ,,PÄaques" und im holländischen "pasen" geschrieben wird. Die stille Woche während der Passionszeit begann mit dem ,,blau Maandag, geel Dingsdag, witte Middeweek, grön Dönnerdag, still Freedag, husen-busen Saterdag, hicken-bicken Sönndag, eiertrüllen Maandag un upfrelen Dingsdag".

Am "husen-busen Saterdag" wurden Haus und Scheune leergefegt und alles blitzblank geputzt. Die Kinder sammelten Reisig und Buschwerk, um ein Osterfeuer zu richten. Zu der Zeit, als das Feuer der ,,Ostara", der Göttin des anbrechenden Morgens und des wiederkehrenden Frühlings, geweiht war, wurde es mit Feuersteinen entzündet. Während der Christianisierung wurde es auf den Kirchhof verlegt, damit die Menschen den heidnischen, germanischen Götterglauben vergessen sollten, und 1933 fand das Fehntjer Osterfeuer auf dem ,,Kanintjebarg" statt.


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Noch schnell ein Foto. bevor es losgeht. Der linke Hase war Anni Bartels, links neben ihr Schwester Eti. In der Mitte Alma ter Veen und Lümkea Meyer. Der rechte Hase war Johanne Meyer; neben ihr steht Anneliese Murra. Der ausgekühlte Sand der nacheiszeitlichen Düne wurde zum kilometerlangen Wegebau auf dem Fehn benötigt.

Ob da wohl der ,,Osterhase" eine Rolle gespielt hat? In der Tat, die NS-Frauenschaft hatte sich dieses damals wilde Gelände ausgesucht, um ein zünftiges ostfriesisches Osterfest zu feiern. Zwar hatten verschiedene Nachbarschaften wie immer ihr eigenes Osterfeuer, und auch die Vereine ließen sich nicht davon abbringen, das Abbrennen von Zweigen und Ästen so zu veranstalten, wie sie es immer getan hatten. So gab es denn ein ,,neues", ein nationales Osterfeuer. Die Ostereier sahen aus wie immer, die Osterhasen waren braun, aber das waren sie auch schon vorher gewesen, das Feuer loderte wie immer, alle waren glücklich und zufrieden. Was waren das damals doch für schöne Zeiten!

,,Und der Krieg?" wird der aufmerksame Leser jetzt fragen. ,,Den haben wir nicht gewollt!" So einfach ist das! In der Erinnerung sieht manches anders aus. Wieder und wieder sollte gefragt werden: ,,Habt ihr denn nicht gemerkt, wo das alles drauf hinlief?" Na ja, gemerkt hatten es die Menschen schon. Es ging ihnen besser, sie fühlten sich gut und stark. Und das war ein schönes Gefühl. Was später kam, war schrecklich, aber da hatten wir doch keine Schuld dran, oder?


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In der zerklüfteten Landschaft des "Kanintjebargs" stellte sich die NS-Frauenschaft mit der Kükengruppe zu einem Gruppenfoto auf. Kaum jemand würde hier den Beginn einer unheilvollen Zeit vermuten, wäre da nicht die heute verbotene Fahne auf dem Hügel.

Es geht hier nicht darum, Schuld zuzuweisen. Wichtig ist, aus der Vergangenheit zu lernen. Als es im Römischen Reich ,,Brot und Spiele" durch die Cäsaren gab, war das keine neue Erfindung. Schon in der Bibel gibt es das ,,gelobte Land" und sogar ein Paradies. Wir Menschen wollen es gern ,,besser" haben, so leben wie Fürsten und Könige, Kaiser und Pharaonen. An die Sklaven, Landsknechte und Leibeigenen denkt niemand. Noch herrschte Frieden 1933 in Deutschland. Und alle hofften auf eine glückliche Zukunft, damals beim Osterfeuer auf dem ,,Kanintjebarg" in Westrhauderfehn. Da dachte noch niemand an die vielen Toten und Vermißten des 2. Weltkrieges.

Ostern und Pfingsten sind von alters her hohe kirchliche Feste. Der Ostfriese sieht das nicht so eng. ,,Wenn he hör Ostern vör de Achtersten haut, denn bummelt dat noch um Pingsten." Damit ist eine vollschlanke Frau gemeint, von der es heißt: ,,Se hett Arms as Paaskestuten un Benen as Wagentuten." Nichts für ungut! Ik wünsk jo `n fröhlich Ostefest; sünd mien Tütjes bi di west? Hebben se mi ok Eier leggt? Do mi `n Paaske-Ei; een is nix, twee is wat, geev mi dree, dann gah `k mien Padd.


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Diese Foto stammt aus dem Jahre 1934. Diesmal sind es drei Osterhasen, die auf Anweisung von Frau Bütefisch (links) die Ostereier verteilen.

 

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