[ Fehntjer Kurier ]

Geschichten aus dem Overledingerland

Liebevoll gesammelt und auf’s getreulichste nacherzählt von Michael Till Heinze


Fehntjer Kurier vom 08.03.1990

"SMS Irene" als "Kohlenfresser" in Ostasien
Von den bezopften Chinesen erzählten Fehntjer noch lange

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"SMS Irene" als "Kohlenfresser" in Ostasien
Von den bezopften Chinesen erzählten Fehntjer noch lange

Am 18. Januar schrieb ich von Seiner Majestät Schiff "SMS Iltis" und dem Matrosen Wilke Tinnemeyer aus Ostrhauderfehn. Heute werde ich über zwei weitere Matrosen berichten, die ihren Militärdienst auf Schiffen ableisteten, die in den Gewässern vor China und Japan kreuzten.

Beginnen wir mit Oltmann Lühring. Sein Vater, der Heere Lühring, stammte aus Holte. Dieser Heere ging nach seiner Schulzeit aufs Schiff, und als er einiges Geld zusammengespart hatte, erwarb er ein Colonat auf dem ldafehn unterhalb der Schleuse auf der Ostseite. Meta Linse wurde seine Frau. Harm, Bernhard und Oltmann wurden geboren.


Am 24. Oktober 1899 ging die "SMS Irene" ins Dock von Nagasaki. Dort in Japan ließ sich Oltmann Lühring aus Idafehn fotografieren.

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Als Oltmann Lühring aus ldafehn zum Militär mußte, ging er zur Kaiserlichen Marine. Er wurde Matrose auf der "SMS Irene". Diese Kreuzerkorvette ist ein Mittelding zwischen Großem und Kleinem Kreuzer. Sie wurde 1897 auf der Vulcan-Werft in Stettin gebaut und erhielt als erster Kreuzertyp der deutschen Flotte ein Panzerdeck.


Der japanische Fotograf in Nagasaki hieß Tenyowkwan. Er fotografierte auch diese Matrosengruppe. Rechts unten sitzt Oltmann Lühring, und links oben steht Jan Franken Hopmann aus Idafehn. Die "SMS Irene" im Hafen.

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Dieser von dem neuen Chef der Admiralität, Generalleutnant von Caprivi, zu verantwortende Kompromiß zwischen einem Flotten- und einem Auslandskreuzer bekrittelte der damalige Divisionschef der Ostasiatischen Kreuzerdivision. Der Konteradmiral Hoffmann drückte in zwei Briefen an den Chef des Marinekabinetts, Konteradmiral Freiherr von Senden-Birban, seine Freude darüber aus, daß er mit der "SMS Irene" nun ein Flaggschiff zur Verfügung habe, das Deutschland würdevoll neben den vier Admiralschiffen der anderen internationalen in Ostasien befindlichen Flotten vertreten könne, daß ihm aber eine neue stetige Sorge mit diesem "Kohlefresser" aufgeladen worden sei.

Die Kreuzerkorvette erhielt als neues Typschiff bei der Taufe im Juli 1887 den Namen "SMS Irene". Prinzessin Irene von Hessen, die im November 1953 verstarb, war die Frau von Prinz Heinrich, dem Bruder des letzten deutschen Kaisers Wilhelm II.

Der im Juni 1894 beginnende chinesisch-japanische Krieg hatte alle Großmächte gezwungen, ihre in ostasiatischen Gewässern stationierten Seestreitkräfte zu verstärken. Im Februar 1895 traf die "SMS Irene" in Tschifu ein. Unter Konteradmiral Hoffmann wurde die "SMS Irene" nun zum Flaggschiff der Ostasiatischen Kreuzerdivision. Ihr unterstanden die Kreuzerkorvetten "Arcona" und "Marie", ebenfalls vor Tschifu liegend, die Kreuzerkorvette "Alexandrine", vor Jokohama liegend, das Kanonenboot "Wolf", vor Tientsin liegend, und das uns schon bekannte Kanonenboot "Iltis", vor Chinkiang am Jangste liegend.

Wir machen jetzt einen Zeitsprung bis ins Jahr 1900. Im Mai dieses Jahrhundertjahres kam es in China zu den "Boxerwirren", die bis zum Juni 1901 dauerten. Die "SMS Irene" hatte damit nur am Rande zu tun, denn mittlerweile war der Große Kreuzer "Hertha" zum neuen Geschwaderflaggschiff geworden. Und auf diesem Schiff hat Wübbo Warntjes gedient.


Diese wundervolle Seidenstickerei ließ sich Wübbo Warntjes "Zur Erinnerung an meine Dienstzeit" anfertigen.

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Wübbo Warntjes wurde 1880 in Holterfehn geboren, ging in die Schiffahrt, kaufte sich eine kleine Tjalk und verdiente sich von Rajen aus sein Geld eine Zeitlang als Beurtschiffer. Von 1901 bis 1904 diente er in der Kaiserlichen Marine auf der "SMS Hertha". Dieser große Kreuzer wurde 1897 ebenfalls auf der Vulcan-Werft in Stettin gebaut. Er erhielt den Namen der germanischen Göttin der Fruchtbarkeit, Nerthus, die die Römer irrtümlich mit dem Namen "Hertha" belegten. Wübbo Warntjes kam also auf ein fast neues Schiff, das mit seinen 477 Mann Besatzung und seinen drei Schornsteinen schon etwas darstellte.

Im Laufe des vorigen Jahrhunderts hatten England, Rußland, Amerika und Japan sowie in begrenztem Umfang auch Deutschland die innen- und außenpolitische Selbständigkeit des alten Kaiserreichs China erheblich eingeschränkt. Etliche Gebiete des riesengroßen Reiches wurden gewaltsam besetzt, und die Europäer versuchten, abendländische Kultur und Zivilisation zusammen mit einer aktiven Missionstätigkeit bei der chinesischen Bevölkerung durchzusetzen. Dagegen wehrte sich alsbald ein ehemals nur religiöser Geheimbund. Die soziale Unzufriedenheit vieler Menschen nutzte dieser Bund aus. Er nannte sich übersetzt "von der roten Faust", woraus die Briten "the boxers" machten. Der Boxer-Aufstand dehnte sich von der Provinz Hopeh immer weiter aus, so daß die ausländischen Gesandschaften in Peking Schutzwachen bei ihren Regierungen anforderten.

Vizeadmiral Emil Felix von Bendemann hatte im Februar 1900 das Kommando über das ostasiatische Kreuzergeschwader von der "SMS Hertha" aus übernommen. Er beorderte alle Schiffe außer der "SMS Irene, die als Wachschiff vor Tsingtau verblieb, nach Taku-Reede. Die Lage in Peking wurde immer explosiver. Nachdem der britische Vizeadmiral Sir Edward Seymour mitgeteilt hatte, mit den Landungskorps seiner Schiffe nach Peking aufzubrechen, entschloß sich auch v. Bendemann zu gleichem Vorgehen. Von der SMS "Hertha" wurden 120 Soldaten und Unteroffiziere sowie vier Offiziere unter Leitung von Kapitän zur See von Usedom abgezogen. In vier Eisenbahnzügen brachen über 2000 Soldaten verschiedener Nationalitäten von Tongku aus auf nach Peking. Sie erreichten die chinesische Kaiserstadt aber nicht, da die Aufständischen mehrmals die Bahnlinien zerstörten. Die verbündeten Truppen mußten ihren Rückmarsch zu Fuß antreten. Entlang des Flusses Peiho ging es flußabwärts, wobei die Verwundeten auf vorgefundenen Dschunken mitgeschleppt wurden.

Bei den Kämpfen um das Hsiku-Arsenal gab der britische Vizeadmiral dem deutschen Kapitän zur See und seiner Landungstruppe den Befehl, aus der bisherigen Marschordnung nun in die vorderste Front zu wechseln. Dieser Befehl, "the Germans to the front", wurde später immer wieder zitiert.

Am 20. Juni 1900 wurde der deutsche Gesandte in Peking, Freiherr von Ketteler, auf dem Weg zur chinesischen Regierung in seiner Sänfte von einem chinesischen Soldaten ermordet. In aller Eile stellte Wilhelm II das "Ostasiatische Expeditionskorps" auf. Neben vielen weiteren Kriegsschiffen wurde auch der neue Panzerkreuzer "Fürst Bismarck" nach China entsandt. Vizeadmiral von Bendemann stieg am 17. August von der "SMS Hertha" auf dieses neue Geschwaderflaggschiff über.

Der Kreuzer "SMS Hertha" hatte während der Boxerunruhen sieben Tote zu beklagen. Wübbo Warntjes war nicht dabei. Auch Oltmann Lühring von der "SMS Irene" kam unversehrt nach Hause. Beide Männer haben ihr Leben lang von den bezopften Chinesen im unendlich großen "Kaiserreich der Mitte" erzählt.

 


Auf der Rückseite dieser Postkarte steht: "Von der Tisientsinfeier der 1. Kompanie des III. Seebataillons." Mit diesem Foto wird deutlich, wie die Europäer sich im fernen China verhielten.

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An Fräulein Nanny Byl in Leer ist dieser "Gruß aus Kiautschou" gerichtet.

Zur Verfügung gestellt von Gisela Temmen und Wübbo Warntjes jr.

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