[ Fehntjer Kurier ]

Geschichten aus dem Overledingerland

Liebevoll gesammelt und aufs getreulichste nacherzählt von Michael Till Heinze


Fehntjer Kurier vom 12.04.1990

Ostfriesisches Ostersymbol: Das Eierwerfen
Vom mühsamen Werk mit der "Tittbuddel"


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Ostfriesisches Ostersymbol: Das Eierwerfen
Vom mühsamen Werk mit der "Tittbuddel"

Heidnischer Brauch unberührt erhalten

Die letzten Märztage haben uns verwöhnt. Die Sonne schien so schön, daß viele ihre Gartenmöbel hervorholten. Die Nutzgärten sind umgegraben, die Ziergärten aus dem Winterschlaf geholt und die vorwitzigen Grashalme wurden vielerorts bereits geköpft.

Das Frühjahr läßt die Natur erwachen. Draußen sind wir abhängig vom Sonnenschein und der Wärme. Aber im Stall läßt sich der Frühling "planen", denn wenn im Herbst die Schafe dem Bock zugeführt werden, so werden fünf Monate später die Lämmer geboren. "Lammer up de Weid, dat bedüdd Freid", heißt es im Plattdeutschen.

Zwei Schaflämmer suchen die Zitzen des Euters. Ferdinand hält das Muttertier, während Vater Karl Böttcher zur Karre geht. Im Hintergrund die Pullenhütte für das Schaf.

Sollte das Muttertier seine Lämmer nicht annehmen, dann ist es mit der Freude vorbei. Die "Tittbuddel" muß her, und nun beginnt das mühsame Werk des "upkluckerns". "Wenn dat Hart geiht as'n Lammersteert", dann besteht Aussicht auf Erfolg. Aber Vorsicht: "Danzen de Lammer int Märt, denn faat de April hör bit Steert." Der Gefürchtete Durchfall durch Kälte und Regen hat schon so manchem Lämmerleben ein Ende gesetzt.

Ein doch schon recht großes Ziegenlamm erhält vom kleinen Conrad Westermann Milch aus der Tittbuddel.

Eines der wenigen speziell ostfriesischen Spiele ist das Eierwerfen. Schon sehr früh wird von diesem eigenartigen Brauch aus heidnischer Zeit berichtet. Am längsten hat er sich in Leer am Plytenberg erhalten. Jedes Kind darf sein Ei den Hügel herabrollen lassen. Trifft dieses rollende Ostergeschenk ein anderes Ei, so gehört es dem obenstehenden Kind.

Bei uns im Oberledingerland gibt es keine Hügel, wenn wir die meist abgesandeten Erhebungen von Hahnentange einmal außer acht lassen. So hat sich hier "dat Eiersmieten" entwickelt, das in etwa nach den gleichen Regeln wie in der Kreisstadt Leer abläuft.

Eine kleine Anmerkung erscheint mir wichtig: Bei diesem Brauchtum ist die eiserne Regel, sparsam mit Lebensmitteln umzugehen, außer Kraft gesetzt. Zu Ostern durften die Kinder mit hartgekochten Eiern werfen, und wer wirklich Hunger hatte, der suchte sich die übriggebliebenen Reste auch aus dem frühlingsfrischen Gras heraus.

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Dieses Foto dürfte eines der frühesten sein, welche uns das in Ostfriesland so verbreitete Eierwerfen zeigen. Es wurde 1930 von Heinrich Siemers aufgenommen. Die Familie Siemers hatte den Bauernhof von Roelf Müller gepachtet, der fast am Ende der 3. Südwieke lag und somit zur Gemeinde Klostermoor gehörte (heute Schade). Das Eierwerfen fand auf Lalks Land statt, Ecke Papenburger Straße/ 3. Südwieke. Die Namen der Kinder sind noch bekannt: ganz links Emmi Bürmann, davor Henny Lalk, mit der weißen Schürze Gertrud Liebig; mit dem Ei in der Hand Titi (Trientje) Siemers, gebückt Hella Liebig, der Junge mit den Händen in der Hosentasche ist Gerhard Wortmann aus Völlenerkönigsfehn, das Mädchen davor Emmi Lalk. Dahinter ist der Kopf von Willi Lalk zu sehen und im Kordanzug Lukas Bürmann. Vorn im Marineanzug Carlheinz Liebig, mit dem erhobenen Arm Heinrich Bürmann, und hinter ihm versteckt sich Oskar Liebig.

Beim Eierwerfen gab es keine festen Regeln. Es war die Freude am toben und herumalbern. Der lange Winter war vorbei. Endlich konnten die dicken Wintersachen ausgezogen werden. Die mütterliche Fürsorge achtete aber darauf, daß die Kinder noch die stiekeligen und kratzenden "brein' Hosen" (gestrickten Strümpfe) anbehielten.

Neben dem Eierwerfen gab es noch das "Schleudern". Zwischen zwei Bändern war ein Stück Leder befestigt. Dieses Leder hatte ein kleines Loch, in das ein Ei hineingelegt wurde. Nun wollte jeder natürlich am weitesten "gojen".

Wer immer noch kein "Erfolgserlebnis" gehabt hatte, probierte das "Eierbickjen" aus. Antje und Tetta nehmen jeder ein buntes Ei in die Hand. Nun werden diese beiden schöne Ostereier leicht aufeinandergeschlagen. Antjes Ei hat eine Delle, die harte Eierschale ist zersplittert, es gehört jetzt Tetta. Kinder mit etwas Übung wissen, daß kleine Eier zum Bickjen besser geeignet sind als große. Versuch macht klug!

Martha Schmidt ist Amme für zwei verstoßene Schaflämmer

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Gerade ein Jahr ist Hannelore Kramer, als sie das Gänseküken liebevoll an sich drückt. Das Gössel hat diesen unbeholfenen Versuch überlebt.

Was macht Vetter Bernhard aus Wuppertal, wenn er auf einem Bauernhof zu Besuch ist? Er muß erst einmal alles genau untersuchen. Wenn der Kleine nach einiger Zeit verschwunden war, brauchten seine Gasteltern nur im "Höhnerhuk" nachzuschauen: Dort saß der "Vetter aus Dingsda" und heulte, weil er nicht mehr die Hühnertreppe hinunter kam und weil auch die aufgeschrammten Knie so weh taten.

Kirschblüte in Holterfehn. Auch dieses Foto ist eine kleine Rarität. Hanni Kramer - sie sitzt rechts neben Hildegard Sanders - hat im Jahr 1932 den Selbstauslöser an ihrer Plattenkamera ausprobiert. Motiv im Sucher einstellen, die Freundin Hildegard Sanders (links) in die verlandete lnnwieke setzen, den Auslöser drücken, schnell zum vorgesehenen Platz rennen und die Hand heben - so einfach ist eine Selbstautnahme mit blühenden Kirschbäumen!

Zur Verfügung gestellt von Gerd Böttcher, Johanne Kramer, Wilhelm Lalk, Johanne Scheer sowie Hilda und Heinrich Schmidt.

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