[ Fehntjer Kurier ]

Geschichten aus dem Overledingerland

Liebevoll gesammelt und aufs getreulichste nacherzählt von Michael Till Heinze


Fehntjer Kurier vom 09.08.1990

Die Hundstage laden zum Schwimmen ein
Als Kinder noch in den Wieken plantschen konnten

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Die Hundstage laden zum Schwimmen ein
Als Kinder noch in den Wieken plantschen konnten

Die letzten Juli- und die ersten Augusttage werden im Volksmund "die Hundstage" genannt. Da nicht jeder weiß, wo der Name herkommt, sei er hier erklärt. Hundstage nennt man die Zeit, in welcher die Sonne das Sternzeichen des Löwen durchläuft. Sie beginnt um den 24.Juli und endet etwa am 24. August. Der Sirius oder Hundstern steht dann frühmorgens am Sternenhimmel und hat somit dieser Zeitspanne, die in Griechenland durch eine starke Hitzeperiode gekennzeichnet ist, den Namen gegeben.

Bei uns im Norden sind es höchstens einige ganz wenige Hundstage, die uns stöhnen lassen ob der schwülen Hitze. Bis das Wasser in den neuen Seen so richtig warm ist, vergeht so viel Zeit, daß die Sonne schon wieder auf dem "Herbsttrip" ist. Und richtige Seen sind das sowieso nicht.

Eigentlich sind es künstliche Löcher in der Landschaft. Für irgendeinen Straßen- oder Autobahnbau werden riesige Mengen Sand benötigt. Den buddelt oder saugt ein Unternehmer aus angekauften Flächen. Zurück bleibt ein Riesenloch, das sich langsam mit Wasser füllt.

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Früher sagten die Kinder "Baggerkuhle" dazu. An der Sagter Straße zwischen Ramsloh und Langholt gab es solch eine Kuhle, und in Barge bei Stickhausen lag etwas versteckt eine idyllisch gelegene, flache Wasserstelle, wo viele Schulausflüge mit dem Fahrrad hinführten. Nicht zu vergessen die Kolke im Westoverledinger Hammrich oder der Maiglöckchenwald bei Scharrel. Heute sind es der Sticki-See, der Ida-See, der Grotegaster See oder der Hollener See, um nur einige Beispiele in unserer näheren Umgebung zu nennen.

Anfang der sechziger Jahre gab es nicht viele Möglichkeiten, ins kalte Naß zu springen. Das Schwimmbad am Langholter Meer war erst gerade fertiggestellt und den Idasee gab es auch noch nicht. Es blieben die Langholter Tonkuhle und der Baggertümpel an der Sagterstraße, wo man chlorfrei und kostenlos baden konnte. In der Mitte des Fotos versucht Annegret Backs, ihrem Sohn Hermann die Angst vor dem Wasser zu nehmen.

Diese ausgesandeten Kuhlen sind ziemlich tief. Sie erwärmen sich nur langsam. Aus diesem Grund eignen sie sich eigentlich gar nicht als "Bade"seen. Zudem liegen sie oft schutzlos in der Landschaft, so daß die Surfer ihre helle Freude an den steifen Winden haben. Der sonnenhungrige Badegast allerdings ist gezwungen, einen Windschutz aufzubauen, damit der schwitzende Körper keine Zugluft abbekommt.

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Im nächsten Jahr feiern die Fehntjer das 15. Ida-See-Fest - so lange ist das nun auch schon wieder her - wie doch die Zeit vergeht! Anfang der 70iger Jahre wurde der Sand für die Schnellstraße benötigt. Heute hat der beliebte Badesee eine Wasseroberfläche von etwa zehn Hektar. Der Ostrhauderfehner Tauchsportclub "Schlaopmütz-Divers" hat einmal nachgemessen und ist auf eine Tiefe von 16 Metern gekommen. Irgendwann wird es sicherlich auch vom Idasee eine unterirdische Wasserkarte geben, damit die Angler wissen, wo eine geheimnisvolle Kuhle ist, in der der Hecht besonders gern steht. Wir sehen, die heutige Generation hat diesen (und andere) neue Baggerseen ohne "wenn und aber" angenommen.

"Jedem recht getan ist eine Kunst, die niemand kann", heißt es so schön in einer Redewendung. Wir können das Rad der Geschichte nicht zurückdrehen. Aber wir können uns erinnern an eine Zeit, als unsere Fehnkanäle ständig mit Frischwasser versorgt wurden. Da die Jauche damals noch zum Düngen der Wiesen benutzt und nicht nach vorn in die Wieken "entsorgt" wurde, gab es auch keine gesundheitlichen Probleme mit dem Fehnwasser.

Was war das eine herrliche Zeit, als die Kinder im Rajener Kanal so unbeschwert schwimmen und paddeln konnte. Noch hinter der 4. Südwieke, fast an der Grenze zu Großwolderfeld, steht dieses Haus auf der Südseite des Kanals, das einst Johann Kramer gehörte. Joke und Herta und vier Kinder stehen am Ufer und schauen dem lustigen Treiben im Kanal zu. Links schwimmt Paul Schwede, rechts seine Schwester Erika, und im Boot sitzt Heinz. Papa Schwede war ein begeisterter Amateurfotograf und fertigte diese Aufnahme wahrscheinlich im Sommer 1938.

Die einzige Schwierigkeit bestand darin, daß die Lehrer in den Schulen noch keinen Schwimmunterricht erteilten. Der Sportunterricht und mit ihm das "Schwimmenlernen" haben sich erst im Verlauf der dreißiger Jahre zu einem Unterrichtsfach entwickelt. Es wäre an dieser Stelle ein trauriges Kapitel, die vielen ertrunkenen Kinder aufzulisten. Auch Badeunfälle zwischen den Sieltoren kamen immer wieder vor. Von daher ist es verständlich, daß nicht alle Menschen gute Erinnerungen an das einladend kühle Wasser während der Hundstage haben.

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Ein angeblich wasserscheues Kind hat den großen Vorteil, nie in die Versuchung zu kommen, das unberechenbare Wasser von seiner gefährlichen Seite kennenzulernen. Auf der andern Seite gibt es hunderte und tausende von "Wasserratten", die sich ein Leben ohne das nasse Element gar nicht vorstellen können. Für sie gehört das Toben im Wasser zu den schönsten Erlebnissen des Jahres, ob nun beim Wasserballspiel, auf dem Floß oder beim Wettkraulen.

Vergessen sei auch nicht der enorm gesundheitliche Wert des Schwimmens. Die gesamte Muskulatur des Körpers wird bewegt, und selbst das geruhsame Rückschwimmen kann der gewichtsüberlasteten Wirbelsäule spürbare Entspannung bringen. Also nichts wie hinein in das nasse Element! Die wenigen heißen Hundstage müßten auch dem griesgrämigen und kälteempfindlichen Wassermuffel ein wenig Spaß und Freude bringen können. Wir sollten es wenigstens einmal im Jahr versuchen !

Erinnerung an eine der ersten Fotografinnen im Overledingerland, die perfekt mit dem Selbstauslöser umgehen konnte: Das junge Mädchen Hanni Kramer schwimmt auf dem Rücken in der Wiekenmitte. Vorher hatte sie ihre Plattenkamera am holprigen Ufer standsicher aufgebaut, ihre Freundin Hildegard Sanders ins Wasser gebeten, Blende und Entfernung so eingestellt, daß auf dem Original ganz schwach im Hintergrund sogar noch ihre Mutter mit zwei weiteren Geschwistern zu erkennen sind, und dann hat sie den Selbstauslöser gedrückt, ist schnell selbst ins Wasser gehüpft und zeigt uns neckisch ihren linken Fuß, so als ob man diese Aufnahme "mal eben mit links" machen könnte... Schwimmen gelernt hat Hanni übrigens in der 2. Südwieke von Holterfehn mit einer Planke. "Dat was uns oll Swienhuksdör", meinte sie lächelnd. Trotzdem mußten die Kinder gut aufpassen, denn damals gab es noch Ebbe und Flut im Holterfehner Kanalsystem.

Noch ist das Wasser weit weg und schwimmen können sie sowieso noch nicht, aber der Badeanzug ist bei dieser Hitze das einzige Kleidungsstück, welches Elvira und Waltraud Kahrels anziehen mochten, als sie bei den Verwandten Utrecht in Collinghorst zu Besuch waren.

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Du sollst zum Chef kommen, da wird dir gleich "der Kopf gewaschen"! ist eine Redewendung, die auf unser Foto nicht zutrifft. Mitten im Hochsommer ist so eine Kopfwäsche, wie sie hier Hans Rieken und Bernd Pütten (?) am Mühlenweg praktizieren, natürlich erfrischend und macht viel Spaß.

 

Irgendwo in einem Teich bei Ihrhove hat der Bahnhofsfotograf Wilhelm Kramer seinen Sohn Ulpt-Heinz etwa um 1932 auf die Platte gebannt.

Zur Verfügung gestellt von Gerd Böttcher, Anni van Dieken, Johanne Kramer, Ulpt-Heinz Kramer, Ingeborg Oltmanns und Heinz Schwede.

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