[ Fehntjer Kurier ]

Geschichten aus dem Overledingerland

Liebevoll gesammelt und aufs getreulichste nacherzählt von Michael Till Heinze


Fehntjer Kurier vom 18.10.1990

Ostfriesische Auswanderer suchten ihr Glück
Weggelassener Nachname täuschte die US-Behörden

"Deutsche Nachbarn sind hier vorhanden"

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Ostfriesische Auswanderer suchten ihr Glück
Weggelassener Nachname täuschte die US-Behörden

Auf einer Zeitungsredaktion scheint nichts unmöglich: Da werden seltsam aussehende Raupen und superdicke Mohrrüben gebracht, da kommen empörte Bürger mit Leserbriefen und schlaue Fremdlinge mit der Bitte um eine kostenlose Veröffentlichung ihres Wunderheilmittels. Natürlich kommen auch wichtige Persönlichkeiten und bedeutende Männer und Frauen, um Stellungnahmen oder Interviews zu geben.

Vor einigen Tagen hatten wir Besuch aus Amerika. Genauer gesagt: aus den Staaten, also aus den USA. Wir haben ein bißchen geschwitzt, denn unser Englisch ist "not perfect". Aber das gemeinsame Thema erleichterte die Unterhaltung.

Hans-Georg Boyken beschäftigt sich seit 25 Jahren mit der Familienforschung. Seine eigene Familie kann er im Ammerland bis zum Jahre 1540 zurückverfolgen. Erste Schwierigkeiten gab es, als Boyken feststellte, daß Geschwister seiner Großeltern ausgewandert waren in die USA.

Diese Auswanderungen kennen wir auch in Ostfriesland. Sie erreichten ihren Höhepunkt etwa 1848/50. Etliche deutschstämmige Dörfer wurden vor allem in Illinois und Iowa gegründet. Wer dort einmal zu Besuch ist, erkennt an den vielen deutschsprachigen Ortsnamen, wo noch das ostfriesische Platt verstanden wird. Diese ersten Auswanderer zogen um die Jahrhundertwende weitere junge Männer herüber, die sich vor dem Militärdienst drücken wollten. Nach dem 1.Weltkrieg waren es dann die schlechten Zeiten, die viele jungen Frauen und Männer um 1920/23 veranlaßten, ihr Glück in der Neuen Welt zu suchen.

Dort im "gelobten Land" gab es anfangs nur alle sieben Jahre die Möglichkeit, einen Antrag auf Einbürgerung zu stellen. Wer es schneller haben wollte, weil sein Antrag abgelehnt worden war, konnte seinen Nachnamen weglassen und seinen Zwischenamen als Familiennamen angeben und als Heimatort den Geburtstort seiner Mutter nennen. Das fiel den amerikanischen Behörden nicht so schnell auf, und der Antragsteller bekam vielleicht schon in zwei Jahren seine gewünschte Einbürgerung, allerdings unter einem leicht verfälschten Namen.

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Das macht die Suche nach den Vorfahren in Amerika so schwer. Dort drüben gab es damals keine Möglichkeit, per Telefax mal eben in Ostfriesland nachzufragen, ob denn die Angaben des Antragstellers auch stimmten. Die Behörden waren froh, wenn ein Fall erledigt war und die Fragebögen in Schuhkartons abgelegt werden konnten. Erst ab 1905 gibt es ordentlich abgeheftete Akten in den "Courthouses", die etwa unseren Landratsämtern entsprechen.

Dort in diesen amerikanischen "Courthouses" des Staates Iowa hat Hans-Georg Boyken mittlerweile 19 von 99 Aktenkeller durchgeforstet, und die für seine und andere ostfriesische Familien wichtigen Namen und Daten fein säuberlich auf Karteikarten geschrieben. Dabei lernte er seine Frau kennen, die den gleichen Nachnamen trug wie er. Bei der von nun an gemeinsamen Suche nach Vorfahren stellte sich heraus, daß beide den gleichen Urahn hatten, einen 1761 in Vreschen-Bokel geborenen Boyken.

Der Ammerländer Hans-Georg Boyken und die Amerikanerin Ruth Boyken haben gemeinsam mittlerweile soviel Einwanderungsunterlagen ausgewertet, daß sie den familiengeschichtlich interessierten Ostfriesen anbieten, ihnen bei der Suche nach verschwundenen Familienangehörigen zu helfen. Fast 30 % aller Einwanderer in Illinois und Iowa stammen aus Ostfriesland, und in Minnesota und South Dakota liegen die Zahlen nur wenig darunter.

Ein Sohn von Aaltje, der 1876 in Bunderhammrich geborene Hinderk, nannte sich später in den Staaten "Henry" Boekholt. Dort heiratete er am 11.8.1898 in Binghan Township die ebenfalls ausgewanderte, gleichaltrige Fannie Abbas aus Wymeer. Dieses Ehepaar hatte fünf Kinder, von denen eines die Mutter von Ruth Boyken wurde. Das Foto zeigt also die Großeltern von Ruth.

Kaum jemand hat die Zeit und Muße, selbst nach drüben zu fliegen und die aufwendige Sucharbeit zu leisten, ganz abgesehen von den Kosten und den Sprachschwierigkeiten. Aus diesem Grunde ist das Angebot der Boykens sehr zu empfehlen, auch wenn nicht jedem versprochen werden kann, daß ausgerechnet der ausgewanderte Onkel unter seinem ehemaligen Namen in der Kartei zu finden ist.

Die Post kann in Deutsch an eine der beiden folgenden Adressen gerichtet werden: Hans-Georg und Ruth Boyken, Am Tief 10, 2949 Wangerland 2, oder an: H.-G. & Ruth Boyken, RR Box H 20, Bancroft, Iowa 50517, USA.

Eine Tochter von Aaltje Boekholt ging nicht mit in die USA, weil sie sich schon vor 1891 mit einem Marten Janssen aus Marienchor verheiratet hatte. Das Foto zeigt Geeske geb. Boekholt und Marten Janssen mit ihren vier Kindern.

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Familiennamen von Auswanderern aus dem Overledingerland, die im Staat Iowa vorkommen: aus Backemoor: Lünemann, Schleifer und Stint; aus Collinghorst: Willms; aus Flachsmeer: Feldiek; aus Holtermoor: Leemhuis; aus Ihren: Barkela, Hook, Meinders und Smith; aus Ihrhove: Groenefeld, Hündling und Telkamp; aus Steenfelde: Beekmann, Frey und van Deest; aus Steenfelderfeld: Niehaus; aus Westrhauderfehn: Adams, Knipper, Meyer, Mülder und van Heuvelen.

Ein solches Foto gibt es in mancher Familie, und niemand weiß heute mehr genau: Ist es nun der Onkel Johannes oder nicht ?

"Deutsche Nachbarn sind hier vorhanden"

Am 4.Februar 1988 veröffentlichte der Fehntjer Kurier das wunderschöne Titelblatt der "Ostfriesischen Nachrichten", das "Heimatblatt der Ostfriesen in Amerika", herausgegeben von L. Hündling aus Brett im Staate Iowa. Dieser Hündling spendete damals 5 Dollar für die Volksschule in Holte (FK vom 18.2.88). In einer Anzeige heißt es: "Ihr Landsleute und Farmfreunde, kommt nach South Dakota und beseht euch die schöne Gegend, die wir haben. Meine preisgünstigen Farmen liegen nahe an der Grenze zu Minnesota im besten Teil dieses Staates, an der Hauptlinie der Eisenbahn von Chicago und Seattle. Gutes Korn und Klee gedeihen hier. Sichere Ernten, Obst, gutes Wasser, deutsche Nachbarn, deutsche Kirchen und Schulen sind vorhanden. Auf Anfrage sende ich eine Liste von mehr als 20 Farmen, die ich zu verkaufen habe. (FK v. 11.2.88.)

Auch viele Briefe der ausgewanderten Ostfriesen sind bekannt. So heißt es in einem solchen Schreiben vom 28.Januar 1871, das sich im Besitz von Heinrich Gosch befindet: "Geliebte Freunde in der Heimat! Wir sind schon lange Zeit getrennt gewesen. Hier in Dubuque sind nur wenige Ostfriesen, in Freeport und Umgebung aber sehr viel. Loop von Westrhauderfehn hat in Freeport eine Schankwirtschaft. Die Heerens von Rhaudermoor wohnen auch in der Umgebung und sind reiche Leute. J. Mühring von Rhaude wohnt in Foreston nicht weit von Freeport. Er ist einige Male bei uns gewesen." (FK v.25.2.88)

Zum Abschluß eine Meldung aus der Hündlingschen "Ostfriesen-Zeitung", Iowa, vom Dezember 1969: "Am 22 Oktober 1969 verstarb die 101jährige Tante des Senators Everett Dirksen von Illinois. Joachimina Düpree wurde 1868 in Ditzumerverlaat geboren. Sie verlebte einen großen Teil ihrer Jugendjahre im Hause ihres Großvaters, des Baptistenpredigers Joachim Düpree. Verheiratet war sie in Westrhauderfehn mit einem ter Veen, mit dem sie dann nach USA auswanderte."

 

Aaltje Willems van Koten, geboren 1840 in Kirchborgum an der Ems, die den Tagelöhner Harm Boekholt heiratete, welcher 1886 in Coldeborg verstarb. Sie hatte Fünf Söhne, von denen der älteste unbedingt nach Amerika wollte. So kam es, daß die 51jährige Witwe Aaltje Boekholt sich mit ihren fünf Söhnen in Antwerpen einschiffte, um nach Philadelphia zu kommen. Von hier aus ging es nach German Valley, wo alle Kinder als Landwirte eine neue Existenz aufbauen konnten. Aaltje Boekholt selbst machte sich als Hebamme nützlich und bewirtschaftete zugleich eine kleine Landstelle.

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Ziemlich sicher erscheint dieses Foto, denn auf der Rückseite steht: "Seaside Park, 19. Aug. 1930". Bei dem Fahrer dieses US-Autos dürfte es sich wohl um Johannes Gewald aus Ostrhauderfehn handeln, der in den zwanziger Jahren in die Staaten auswanderte.

Zur Verfügung gestellt von Hans-Georg und Ruth Boyken sowie Heinz und Rita Schwede.

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