[ Fehntjer Kurier ]

Geschichten aus dem Overledingerland

Liebevoll gesammelt und aufs getreulichste nacherzählt von Michael Till Heinze


Fehntjer Kurier vom 23.10.1990

Es ist der Edzard mit seinem Stint
"Dreihpost bi Hündling" entstand für die Kunden

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Es ist der Edzard mit seinem Stint
"Dreihpost bi Hündling" entstand für die Kunden

"Wer radelt so spät durch Nacht und Wind ? Es ist der Edzard mit seinem Stint." Mit diesen verballhornten Versen aus Goethes Erlkönig ist nicht Edzard der Große, Graf von Ostfriesland, gemeint, sondern Edzard Hündling aus Westrhauderfehn. Dieser Edzard ist nicht der einzige Kaufmann im Overledingerland gewesen, der zu Fuß oder mit dem Rad seine Waren der weit auseinderwohnenden Kundschaft angeboten hat. Aber Edzard Hündling ist der einzige "Nur-Fischhändler" auf dem Fehn gewesen.

Hündlings hatten auch einen Marktstand. Bekanntlich standen die Buden beim Fehntjer Markt auf der Nordseite des Untenendes. Wenn Marktzeit war, stand die Fischhalle schräg gegenüber dem Eingang vom "Hotel zum Goldenen Anker". Hier lernte Edzard seine Anna als Marktbraut und spätere Ehefrau kennen. Da er wegen des Fischhandels an den Werktagen und seinem Dienst als Kellner an fast allen Wochenenden wenig Zeit hatte, verlobte er sich - am Totensonntag mit ihr! Links Kapitän Johann Hündling und in der Mitte Sohn Edzard mit dem Sonderangebot zum Fehntjer Markt.

  Denn normalerweise hatte jeder Kaufmann ein Faß mit Salzheringen im Laden oder im hinteren Flur stehen. Und auch getrockneten oder geräucherten Fisch konnten die Fehntjer durchaus in ihrem gewohnten Ladengeschäft kaufen, nur Dosenfisch gab es früher noch nicht.

"Mög ji ok Fisch?", fragte Edzard Hündling die Fehntjer Bürgerinnen, wenn er donnerstags nachmittag in Ostrhauderfehn oben und am Freitag Vormittag in Langholt bei der katholischen Bevölkerung vorbeikam. Vorn im Korb war der Frischfisch und hinten in der Kiste der Räucherfisch. Häufig erhielt er im Spätsommer und Herbst die Antwort: "Nee, wi eeten Bohnen." Über 27 Jahre lang verkaufte Edzard so den Fisch vom Fahrrad aus - wenn es keine Bohnen gab.

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Edzard war der Sohn des Fischdampferkapitäns Johann Fokken Hündling. Allerdings, mit 23 Jahren fuhr Johann Fokken noch als Matrose und war nicht verheiratet. Aber er hatte schon eine Braut. Am 15. November 1902 schickte er eine Ansichtskarte aus Scheveningen, Holland, an "Frl. G. Bergenthal, p. adr. W. Bergenthal Wwe., Rhauderwieke, Post West-Rhauderfehn, Ostfriesland", die seine Angebete schon am nächsten Tag erreichte. Er unterschrieb vornehm mit "Johann H.", was sich aber schon im Februar des nächsten Jahres änderte. Jetzt kam die Ansichtskarte direkt an Gesche, diesmal aus Bremen, und schon im Mai erhielt das Fräulein eine Karte aus den "Charles Town Docks", England, mit der verführerischen Anrede: "Beloved Geske".

Edzard Hündling konnte seinem Beruf als Fischfachmann auch während des 2. Weltkrieges als Soldat nachgehen. Hier bereitet er in Frankreich viele hundert Fische für die Räucherkammer vor.

Im Juni des Jahres 1905 heirateten die beiden. Ihren Erstgeborenen nannten sie "Edzard" nach der Taufpatin Ettje Michaelsen, einer Schwester der glücklichen Mutter. Dieser ungewöhnliche Name hätte also, und das werden die wenigsten wissen, eigentlich "Ettzard" geschrieben werden müssen, was aber unüblich ist. Es blieb der einzige Junge, denn danach wurden dem Ehepaar "nur noch" Mädchen geschenkt.

Fertig zum Räuchern, hieß es am 1.Mai 1942 in Frankreich. Zweiter von rechts ist Johann Hündling.

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Im 1. Weltkrieg war Johann Hündling Schiffsführer auf dem Dampfer "Dresden" der Vorpostenflotille Jade-Weser. Er erhielt am 11. August 1914 den Befehl, "am 12. August, vier Uhr morgens durch die III. Einfahrt nach der Jade in See zu gehen und sich dort beim Chef der Hafenflotille der Jade, dem Kommandanten der S.M.S. "Ariadne" zur Entgegennahme weiterer Befehle zu melden".

Diesen Krieg überstand Johann Hündling unbeschadet, denn am 11. September 1918 erhielt er noch einen "Dauer"-Passierschein: "Der Steuermann Hündling vom Vorpostenboot "August Wilhelm" kann ungehindert Brücken, Posten, Werft- und Kasernentore sowie das Schleusengebiet und den Posten Mariensiel passieren." Schon wenig später war der Krieg aus, und der Marineoffizier Johann Hündling mußte sich einen anderen Job suchen.

Onkel Johann Thomssen, der später in Ihrhove wohnte und dort verstarb, half Edzard und seinem Schwager Johann senior beim Fischeschlachten, Entschuppen und Ausnehmen.

Er wurde Fischdampferkapitän unter andern auf der "Schoenebeck B.B.27". Ein Ölgemälde im Laden zeigt dieses Schiff beim Leuchtturm "Roter Sand". Kobus Fennen aus Burlage und Lukas Lakeberg von der 3. Südwieke Ostrhauderfehn haben bei ihm gefahren. Wir könnten jetzt an dieser Stelle längere Ausführungen über die Entwicklungsgeschichte der Fischdampfer bringen, wollen uns aber diesmal zugunsten der Fotos auf einen kurzen Text beschränken.

Auf den Fischdampfern verdiente Johann Hündling in den zwanziger Jahren von Wesermünde und Bremerhaven aus das "große Geld", doch ein Magenleidens zwang ihn, den Beruf nach einigen Jahren aufzugeben. Wie schon mancher andere pensionierte Kapitän vor ihm, so konnte auch er die Hände nicht tatenlos in den Schoß legen. Er kaufte im Untenende von Westrhauderfehn ein Grundstück von der ehemaligen Bahnschen "Kaserne" und ließ darauf 1927 vom Bauunternehmer Dübbelde aus Rhaudermoor ein imposantes Haus errichten, den ersten neuen Klinkerbau auf der Südseite des Untenender Kanals.

Der Marineoffizier Johann Hündling vom Vorpostenboot "Dresden" ließ sich in Wilhelmshaven fürs Familienalbum ablichten. Der aufwendig ziselierte Marineoffizierssäbel ist durch einen glücklichen Umstand erhalten geblieben. Er wurde in der Hohlmauer des Hinterhauses über einem Fenster versteckt - und vergessen, da Kapitän Johann 1946 starb. Erst als später neue Fenster eingesetzt wurden, entdeckte ein Zimmermann den Säbel, der jetzt einen Ehrenplatz erhielt.

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Die eine Seite seines neuen Geschäftshauses vermietete der pensionierte Fischdampferkapitän an den Schlachtermeister Johann Ahlers, und in der anderen Seite eröffnete er eine Fischhalle. Damit nun die Leute von der Nordseite bequem zu seinem Geschäft kommen konnten, beschloß er, mit Siebe Ostendorp zusammen auf eigene Kosten eine Brücke über den Kanal bauen zu lassen. Es entstand der "Dreihpost bi Hündling". Wenn eine Mutte oder eine Tjalk angeschippert kam, blies der Schiffer ins Horn, und Hündling mußte die Brücke abdrehen, ohne dafür den obligatorischen Groschen zu bekommen, denn es war eine "Privat"brücke.

Der Untenender Kanal an einem Sonntag im Jahre 1938. Links spiegelt sich das Luikengasche Geschäftshaus im Wasser. Rechts sitzt in seinem Boot der Fischdampferkapitän Johann Hündling. Neben ihm seine Tochter Gretchen und seine Frau Geeske geb. Bergenthal, dann der Sohn Edzard mit dem Enkelkind Johann und ganz links Edzards Schwager Jakobus Michaelsen aus Petkum. Dieses Boot benutzte Hündling zum Angeln und Fischen, wofür er einen besonderen Erlaubnisschein benötigte.

In diesen Tagen wird genau an dieser Stelle eine Klappbrücke installiert, die im Rahmen des niedersächsischen Fehnprogramms zu 90 % aus Landesmitteln finanziert wird. Die alte Hündlingsche Drehbrücke hatte schon lange ausgedient, und die häßliche Betonbrücke der Nachkriegszeit liegt zur Zeit im Gewerbegebiet.

Mutter Anna geb. Michaelsen mit ihrem Sohn Johann im Sommer 1938 auf der Hündlingschen Brücke. Bei diesem "Dreihpost" kam es Anfang der dreißiger Jahre zu einem tragischen Unfall, siehe FK vom 21.7.88: Die Brücken von Westrhauderfehn.

Der Fehntjer Kurier möchte mit den Fotos aus vergangenen Zeiten erneut zeigen, wie es auf dem Fehn einstmals wirklich aussah.

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