[ Fehntjer Kurier ]

Geschichten aus dem Overledingerland

Liebevoll gesammelt und aufs getreulichste nacherzählt von Michael Till Heinze


Fehntjer Kurier vom 14.03.1991


 

Morgens um sieben „dat Siel över’t Kopp“

 

Die Egge, die von den beiden Lokomobilen auf den tiefgepflügten Stücken hin- und hergezogen wurde. Links Bernhard Poppen, dann Bernhard Lalk, der das seltsame Ungetüm bedienen mußte, und rechts der junge Vizeverwalter Wilts aus Glansdorf, der diese Aufnahme mit einem Selbstauslöser machte.


 

Im Herbst wurden die Kartoffeln mit dem Pferdewagen zum "Handdreiher" gebracht, um sortiert zu werden. "Mit Schweep up Nack" der Kutscher Heyo Wessels, neben ihm auf dem Wagen Hermann Krumminga. Unten von links: Klaas Griepenburg, Fligiel aus der Schmiede (er hieß bei allen "Fliegel"), Elso Classen aus Rajen, Bernhard Poppen, Flachsmeer, und Gerhard Luikenga, ebenfalls Rajen.



 

Abenteuerliche Fahrt zum Rhein: Kartoffeln gegen Salz getauscht

 

Zwei Siedlerkinder spielen auf dem Domänegelände - ob sie sich wiedererkennen werden ?


 

Nachdem die Kultivierungsmaßnahmen abgeschlossen waren, kam Bernhard Poppen in die Schmiede, die genau gegenüber der Hauptdomäne stand. Dieses dritte Verwaltungsgebäude wurde 1927 gebaut und steht heute noch genauso an der Domänestraße in Westoverledingen. Poppen hat den Weggang seines Schwagers Ritter miterlebt genauso wie die Ära Heinrich Müller, der den heutigen Domäneweg damals von Anliegern ausgraben ließ. Die Leute durften den Torf behalten, mußten aber den Untergrund "wöhlen". Dann holten die Fuhrleute von der Domäne täglich einen Pferdewagen Schlacke von der Eisengießerei Boekhoff aus Leer für diesen neuen Weg.

Sechs bis acht Pferde gab es auf der Domäne, aber weder Verwalter Müller noch sein Nachfolger Janssen, der aus Remels gebürtig war, noch Verwalter Stahlbohm aus Königsmoor betrieben eine Pferdezucht. Es gab drei Gespanne, die von Heyo Wessels, Elso Claassen und Hermann Groeneveld betreut wurden. Als "Springer" und Aushilfskutscher fungierte Hinnerk Haats. Morgens um sieben Uhr bekamen die Pferde "dat Siel över't Kopp" und in den Anfangsjahren natürlich Trippen unter die Hufe. Das war wirklich Schwerstarbeit für die Tiere, wenn sie mit diesen Pferdeholzschuhen ins Moor mußten.

An eine besondere Geschichte kann Bernhard Poppen sich noch genau erinnern. Das war nach 1945, als der Pole Wolski die Leitung der Domäne von der Kommandozentrale in Papenburg übertragen bekommen hatte. Damals gab es nirgends Salz zu kaufen. Und weder Kartoffeln noch Suppen schmecken ohne Salz, ganz davon abgesehen, daß man für die Schnippelbohnen, das Sauerkraut, zum Pökeln und für viele anderen Dinge ebenfalls Salz benötigte.

Verwalter Wolski, der ziemlich raffiniert war und gut organisieren konnte, hatte gehört, daß es in Büderich auf der andern Seite des Rheins eine Salzgrube mit Lagerbeständen gab. Unser Schmied Bernhard Poppen, der für die Hufeisen der Pferde zuständig war, und ein ausgebombter Kaufmann aus Bremen, der damals auf der Domäne lebte, erhielten von Verwalter Wolski den Auftrag, mit zwei Gespannen nach Büderich an den Rhein zu fahren und Salz zu holen.

Wenn ein Fußballfanatiker in unseren Tagen unbedingt das Spiel des 1. FC Köln gegen den VfL Bochum sehen will, muß er früh aufstehen, wenn er mit seinem Sportwagen am gleichen Tag pünktlich im Müngersdorfer Stadium sein will, und auch der Fan-Bus braucht seine Zeit, um über die heutigen Schnellstraßen und Autobahnen in einem Tag bis an den Rhein und wieder nach Haus zu kommen. - Poppen und der ahnungslose Kaufmann aus Bremen, an dessen Namen sich unser Schmied nicht mehr erinnern kann, wußten nicht, was ihnen bevorstand. Zwar gab es damals einigermaßen gute Straßen, aber viele Brücken über Kanäle und Flüsse waren zerstört. Wie lange würden sie brauchen ? Würden die Pferde die Strecke bewältigen können? Wo konnten sie mit den Tieren übernachten? Womit mußte man bezahlen ?

Fragen über Fragen. Aber zum Sinnieren war keine Zeit. Das Wetter war gut. Die Arbeiter hatten zwei gummibereifte Wagen mit Kartoffeln vollgeladen und Hafer für die Pferde oben drauf gelegt. Montag in der Frühe kutschierten Poppen und der unbekannte Kaufmann los. Über Bentheim verließen sie das Emsland. Abends um zehn durften Mensch und Tier nicht mehr auf der Straße sein, denn es galt das Versammlungsverbot der alliierten Streitkräfte in dieser Nachkriegszeit.

An die 5000 Pfund zogen die Pferde des Kaufmanns und 6000 Pfund die beiden Pferde von Bernhard Poppen. Überall im Ruhrgebiet waren die Städte zerstört. Als die beiden nun an den Rhein kamen, konnten sie nur über eine Notbrücke den Strom überqueren. Vorher aber nahmen ihnen niederländische Soldaten alle Kartoffeln ab. Mit leeren Wagen kamen sie vor der Salzgrube bei Büderich an. Dort stand schon eine lange Reihe weiterer Wagen aus allen Gegenden Deutschlands. Endlich kamen auch die beiden Domänebeauftragten aus Ostfriesland an die Reihe und konnten das kostbare Salz in die mitgebrachten Säcke abfüllen.

Bei herrlichem Spätsommerwetter ging es nun den langen Weg zurück nach Ostfriesland. Da platzte ein Wagenreifen. Nicht schlimm, dachten die beiden, Schläuche haben wir genug mit. Aber der Mantel war geplatzt und aufgerissen. Nun war guter Rat teuer. Der Kaufmann sagte zu Poppen: "Bleib du mal hier, ich versuchs in Rheine." Und tatsächlich, am andern Tag kam der Kaufmann zurück mit einem eingetauschten gebrauchten Mantel, der auf den Reifen paßte.

Montag früh waren sie losgezogen, um im Jahre 1945 das kostbare Salz zu holen, und am Montag abend nächster Woche waren sie wieder auf der Domäne, beide Pferdewagen vollgefüllt mit dem heißbegehrten, schmackhaften Salz aus der Grube bei Büderich am Rhein.


 

Die Frau des Domäneverwalters, Berta Müller, füttert mit den Enkelkindern Marie Luise und Ilse Carola die Hühner, Puten und Tauben auf der Domäne. Links der Schweinestall, der parallel zum Torfschuppen stand.


 

Links unten die Gesindestube und die Melkkammer, darüber die neue Kammer von der Maid Elli. Neben der Eingangstür das Büro des Rechnungsführers und daneben das Büro des Gutsvorstehers. Auf unserm Bild der ehemalige Domäneverwalter Heinrich Müller mit seiner Tochter Bertha und seinem Sohn Kurt. An öffentlichen Feiertagen wurde selbstverständlich auch im Moor geflaggt.


 

Betriebsfest auf der Domäne "futt na't Krieg bi Vehns". Vorn sitzend von links: Hinnerk Scheper, Ahlrich Brandt, Hermann Voßkamp, Hero Friedrichs, Lambertus Luikenga und Verwalter Bourma. Hinten stehend von links: Bernhard Brandt, unbekannt, Joest Brandt, Bernhard Poppen. Das Flüchtlingsmädchen "Evken" vom Büro, Jan Blank (?) und Hanni Engberts. Ganz oben die beiden sind Reemt Bronn und Johann Schmidt. Mit dem fehlenden Haar: Wessel Duis, daneben Abbo Frey, dahinter ein unbekannter junger Vizeverwalter. Dann Hermann Krumminga und Jan Rösken. Der rechte Herr ist unbekannt.


 

Ein Foto, das man eingehend und lange betrachten muß. Es soll sich um ein Treffen am 1.Mai 1935 handeln, "nett vör't Krieg". Domäneverwalter Heinrich Müller im Cut und Zylinder stellt sich kurz vor dem Kirchgang mit seinen Arbeitern zu einem Gruppenbild auf. Er hatte vom damaligen Pastor in Völlenerkönigsfehn den Auftrag bekommen, sich um den NSV zu kümmern. Sitzend von links: Hermann Groeneveld, unbekannt, Klaas Griepenburg, Ahlrich Brandt, Klaas Griese, Johann Linnemann und Eilert Hellmers. Hinten stehend: Heinrich Müller, Lambertus Luikenga, Hero Friedrichs, der damalige Schweizer Jan Blank, Hinnerk Sanders, dahinter Johann Welp und mit der weißen Mütze Hinnerk Haats. Daneben Elso Claassen, Heyo Wessels, mit Schnurrbart dahinter Leon Fligiel, daneben Bernhard Lalk, dahinter Gerhard Luikenga, mit Hut Bernhard Poppen und rechts Albert Schmidt.


 

Zur Verfügung gestellt von Bernhard Poppen und Bertha Barth.

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