[ Fehntjer Kurier ]

Geschichten aus dem Overledingerland

Liebevoll gesammelt und aufs getreulichste nacherzählt von Michael Till Heinze


Fehntjer Kurier vom 03.10.1991


 

Jeden Augenblick konnten die Rahen herabkommen

 

Auf diesem Kümo der Kauffahrtei Seerederei war er zeitweise Kapitän des Schiffes.

 

 

Auf der Catharina Stein fuhr hermann Pollmann von Rostock nach Moskau.


 


 

Das war harte Knochenarbeit, vierzig Meter über dem Deck


 

Mit solchen Windjammern fuhren die Kapitäne um Kap Horn



 

Windjammer. - Ein Dom von Masten unter vollem Tuch, ein weißer Schwan ozeanischer Gefilde! Romantik weht uns an und entzündet die Sehnsucht nach fremden Ländern, nach unermeßlich scheinender Weite der Meere, nach stillen Nächten mit sternenübersätem Himmel. - So heißt es in Jochen Brenneckes Buch ,,Windjammer". Das mag die eine Seite gewesen sein. Die andere war rauh, sie war erbarmungslos hart und voller Entbehrungen. Das haben so viele, die den Seemannsberuf gewählt haben, am eigenen Leib miterlebt, so auch der nun hundertjährige Kapitän Hermann Pollmann aus Westrhauderfehn, der in den Jahren 1912 und 1913 Matrose auf dem Vollschiff „Parnassos" gewesen ist, jenes Seglers, der schon einmal im Jahr 1905 bei der Umsegelung des Kap Horns größte Schwierigkeiten gehabt hatte, weil die Hälfte der Besatzung wegen Erfrierung der Gliedmaßen dienstuntauglich geworden war. Und nun dieses Unglück im Jahr 1913! In einem spannenden Bericht über den Untergang der ,,Parnassos" hat ein Augenzeuge die Schiffstragödie in allen Einzelheiten festgehalten und später veröffentlicht. Eine handschriftliche Kopie befindet sich in den sorgfältig aufbewahrten Dokumenten des Kapitäns. Hier die Geschichte:

Mit 120 Tagen hatte das Vollschiff ,,Parnassos" eine recht lange Heimreise gehabt. Wir kamen von einem chilenischen Hafen, den Bauch voll Salpeter, und waren nach dem irischen Hafen Queenstown für Order bestimmt. Dort angekommen, brachte der Vertreter der Reederei uns die Nachricht, daß wir nach Hamburg geschleppt werden sollten. Darob große Freude an Bord und gute Geschäfte für einige mit dem Agenten erschienene irische Händler. Im Nu war Jan Maat zwei bis drei Pfund Sterling los, gute Pfunde, zu zwanzig Mark das Stück, für minderwertige Ware.

Das war im Jahr 1913, im April. Wohl wurde warme Kleidung gekauft, aber auch feine Schuhe, gelbe Handschuhe, Uhren und andere Dinge, die Jan Maat sich so ausgedacht hatte. Ein auf diese Weise gekaufter Anzug tauchte natürlich überhaupt nichts und sah nach dem ersten Regen aus, als wenn ein Zwanzigjähriger seinen Konfirmationsanzug angezogen hätte: Ärmel und Hosen je einen Fuß zu kurz. Die Schuhe waren meist aus dem Leim gegangen.

Am nächsten Morgen kam der Schlepper, ein Engländer der bekannten Schleppschiffirma - T. M., und spannte sich vor die ,,Parnassos". Die Fahrt war gegen Ostwind zunächst recht langsam. Noch während des Nachmittags jedoch drehte der Wind und frischte aus Süd und Süd-West auf. Wir hielten uns nahe der englischen Küste; kurz vor Dover signalisierte der Schlepper. Irgend etwas war mit seiner Maschine nicht in Ordnung. Mit Bordmitteln konnte der Schaden nicht in Ordnung gebracht werden und so mußten wir wohl oder übel Dover anlaufen. Der englische Schlepper warf los und lief durch die schmale Einfahrt in den Hafen. Nach einigen Stunden kam unser Vorspann wieder.

Wir gingen Anker auf und in die Nordsee. Marssegel, Fock und Stagsegel waren beigesetzt worden, um den Schlepper nach Möglichkeit zu unterstützen. Der Wind hatte an Stärke zugenommen, außenbords war es recht unruhig geworden. Nachts wehte es stärker, die See lief höher, und die Fock wurde festgemacht. Mit dem günstigen Wind liefen wir über Steuerbordhalsen und bald Backstagsbriese mit den wenigen Segeln fast 10 Meilen in der Stunde. So steuerten wir an der holländischen Küste entlang. Das Wetter war bisher klar und feuersichtig gewesen. Es setzten leichte Regenschauer ein, die Luft wurde diesig, und Wind und See nahmen ständig zu. Die „Parnassos“ fing an härter zu arbeiten und holte zeitweilig bereits schwer über, sie rollte von steuerbord nach backbord und wieder zurück. Wasser kam an Deck, die Luken wurden nachgesehen. Lukenkeile festergeschlagen und alles seefestgezurrt.

So rasten wir in dunkler, regenschwerer und böiger Nacht auf das Feuerschiff ,,Elbe 1" zu. An Gefahr oder an Strandung dachte niemand. Wir hatten ja einen Schlepper, dessen Kapitän diesen Teil der Nordsee wie seine Westentasche kannte. Wir waren bald bei ,,Elbe 1", dann hatten wir eine lange Reise hinter uns. Doch das Schicksal hatte es anders bestimmt. Die ,,Parnassos" sollte diese letzte Reise nicht vollenden. Plötzlich, gegen zwei Uhr morgens, gab es einen fürchterlichen Stoß im Schiffskörper. Ihm folgte ein anhaltendes, immer lauter werdendes und drohendes Knirschen. Wieder ein harter Stoß, und wieder das unheimlich anzuhörende, immer lauter werdende Geräusch. Mehrere Männer waren an Deck glatt hingeschlagen, als immer wieder heftige Stöße kurz nacheinander einsetzten. Die „Parnassos" saß fest! Mit fast zehn Seemeilen Fahrt war sie auf die Sandbänke von Terschelling aufgelaufen. Terschelling gehört zu den westfriesischen Inseln. Das Gewässer dort wurde besonders früher, als es noch sehr viele Großsegler gab, als eines der vielen Schiffsfriedhöfe angesehen.

Uns allen blieb unverständlich, daß bei dieser großen Fahrt nicht die Rahen und Stangen von oben gekommen waren. In weitem Bogen, um die Schlepptrosse nicht in die Schraube zu bekommen, war inzwischen unser Schlepper auf Rufnähe herangekommen. Für Vorwürfe war jetzt keine Zeit. Unser Kapitän rief dem Schlepper zu, nochmals zu tauen, was die Maschine hergeben könnte. Wir wollten ihn dann mit unseren Segeln unterstützen. Inzwischen stieß ,,Parnassos" immer wieder auf Grund, die See hob das Schiff, um es dann wieder auf den harten Sandsteinfelsen zu schmettern. In den Masten krachte es bei jedem Aufsetzen gefährlich. Jeden Augenblick konnten die schweren stählernen Rahen von oben herabkommen. Jetzt hieß es: Bramsegel setzen und vor allen Dingen die Fock bei. Alle Offiziere und Mannschaft so schnell wie möglich nach oben, um die Segel Ioszumachen! Das war harte Knochenarbeit vierzig Meter über Deck, umgeben von krachenden, klirrenden Wanten. Unter dem Kiel dauerte das auf die Nerven gehende Geräusch weiter an, das sich wie eine Knochensäge anhörte. Keiner war feige zurückgeblieben.

Der Schlepper arbeitete mit aller Kraft, konnte aber bei dem Sturm nichts machen. Das Schiff kam nicht einen Zoll vorwärts! Man hörte jetzt auch hin und wieder aus dem Raum ein lautes, pfeifendes und hohles, gurgelndes Geräusch. Außerdem meldete der Zimmermann ,,Wasser im Raum". Das bedeutete bei diesem Wind und der groben See den Untergang des stolzen Seglers ,,Parnassos".

Der Schlepper hatte das Aussichtslose seiner Bemühungen einsehend losgeworfen und war wieder in Rufnähe gekommen. ,,Ich fahre an Land um Hilfe zu holen", schallte es herüber, und schon war von ihm in der Dunkelheit nichts mehr zu sehen. Der Kapitän befahl: ,,Alle Mann achteraus!" ,,Bis zum Morgen aushalten", beschloß der ,,Schiffsrat" , ,,bis es hell wird".

Schwere Seen kamen an Backbord über und fegten alles über Deck. Die stählerne Reling brach zusammen. Die ,,Parnassos" fing an, sich mehr und mehr nach steuerbord überzulegen. Nach zwei Stunden wurde es hell. Der Feuerturm von Terschelling war gut zu sehen, aber weder ein Schlepper noch andere Hilfe ließ sich blicken. An das noch nicht zerschmetterte Leeboot konnten wir nicht mehr heran. Schließlich kamen dann doch dicht unter Land ein holländischer Schlepper und ein Boot in Sicht. Ein hörbares Aufatmen ging durch die Mannschaft. Es waren die ,,Braudaris", das große gedeckte Rettungsboot von Terschelling, und der starke ,,Neptunus", die zu Hilfe kamen. Ein langes, breites Sprungnetz war über dem Deck der ,,Braudaris" ausgespannt. Man versuchte, in der hohen Brandung an uns heranzukommen.

Viel Zeit war nicht mehr, um sich zu retten, zumal das Rettungsschiff wieder abtrieb. Aber dann hatten die Schiffbrüchigen nochmals Gelegenheit zu springen. Und sie sprangen in das rettende Netz. Nur der Kapitän stand noch auf dem Achterdeck. Als dann zu guter Letzt das holländische Schiff nochmals herankam, sprang dann auch der zweihundertfünfzig Pfund schwere Kapitän aus Övelgönne herunter. Tief buchtete das starke Netz ein. Keine Minute zu früh! Die ,,Parnassos" legte sich hart über und fiel dann ganz plötzlich auf die Seite. Zum Ruhm der holländischen ,,Braudaris" sei gesagt, daß jetzt erst die Stangen brachen und die Masten mit Rahen und Segeln mit mächtigem Poltern und Krachen in den Fluten verschwanden. Nur die Backbordreling war noch für kurze Zeit zu sehen, aber dann gingen die rollenden Wogen der Nordsee, Wind und See über alles hinweg. Einige Stunden später Iiefen wir wohlgeborgen in dem kleinen Hafen von Terschelling ein.

Alle Insulaner hatten sich eingefunden. Ein noch nicht fünfzehn Jahre alter Schiffsjunge, der ,,Moses" von der Backbordwache hatte beim Sprung in das Rettungsboot seinen Mantel verloren und kam nun nur mit einem Hemd bekleidet an Land.

Mit lauten bedauernden Worten und erhobenen Armen stürzten sich mehrere Frauen auf den vor Kälte zitternden Jungen, und eine besonders gewichtige Holländerin nahm den Bengel tatsächlich auf die Arme und trug ihn in das nächste Haus. Nach einigen Tagen fuhr die ganze Besatzung, begleitet von den herzlichen Wünschen der Inselbewohner nach Hamburg.


 

So wie dieses Schiff sank der Vollsegler Parnassos im Jahr 1913, nachdem er auf den Sandbänken von Terschelling aufgelaufen war. Dabei war auch der alte Kapitän Hermann Pollmann aus Rhauderfehn.


 

Auf dem Vollschiff Seeadler war der berühmte Weltumsegler Felix Graf Luckner an Bord.


 

Die Pamir war ein Windjammer, der am 21.9.1957 in schwerem Sturm gesunken ist.


 


 

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